Nun bin ich bereits schon seit fast 3 Monaten in Israel und es wird Zeit für
meinen ersten Rundbrief an euch. Meine erste Zeit hier war geprägt von vielen
verschiedenen Eindrücken und Emotionen. Zwar kann die Arbeit auch mal stressig
und anstrengend sein, im Grunde genommen ist das Leben hier jedoch ziemlich
interessant. Viel rumgekommen im Lande bin ich auch schon. Doch über das Land
mit seinen vielen verschiedenen Religionen, Kulturen, und landschaftlichen
Aspekten möchte ich euch in einem anderen Rundbrief genauer berichten!
Fang ich mal vorne an:
Nach meinem
2-wöchigen Ausreiseseminar in Bonn ging es für mich schon Ende August nach
Israel. Am Flughafen wurden wir bereits von 2 vorübergehenden Mitvoluntärinnen
empfangen, welche uns auch direkt in unsere kleine WG in die Ramat HaSharon
brachten. Ramat HaSharon liegt nördlich von Tel Aviv und ist eine der vielen
Vorstädte. Die Stadt hat um die 40.000 Einwohner und ist jüdisch geprägt. Schon
am kommenden Tag durften wir unser Projekt, das Kfar Ofarim (Dorf Ofarim), von
dem wir bisher nur gehört haben, besichtigen.
Das 1988,
durch Eltern autistischer Kinder gegründete, Kfar ist ein Wohnheim- und
Betreuungseinrichtung für Autisten am Stadtrand von Tel Aviv. Mit 8 Häusern
(Wohneinheiten) à 9 Autisten (genannt Friends oder Chaverim [hebr.]) und vielen
autistischen Erwachsenen von Außerhalb (Externi) ist dieses Kfar das größte
Israels.
Mein Haus ist
das Beit Brosch (zu Deutsch: Haus der Zypresse). Um 7 Uhr in der Früh beginnt
dort mein Arbeitsalltag. Die Friends werden geweckt und auf das Frühstück
vorbereitet. Jeder Friend bedarf anderer Ansprüche. Während sich die Friends in
meinem Haus komplett ankleiden, weitestgehend alleine die Zähne putzen und mehr
oder weniger geduldig auf das Frühstück warten, gibt es auch solche Häuser in
denen man die Friends keinen Augenblick unbeobachtet lassen kann ohne das einer
von ihnen irgendwas anstellt. Nach dem Frühstück haben wir oft noch viel Zeit
um mit den Friends gemeinsam Musik zu hören, zu reden oder einfach nur
rum zualbern.
Um 8.30 Uhr
geht es dann in die individuellen Gruppen, wo 6 weitere Friends auf mich warten. Meine Gruppe ist die Kwutzah Ginun
(Gartengruppe). Wie in fast allen Gruppen im Kfar beginnen wir den Tag mit
einer Mifgasch Boker (Morgenrunde). Auf einer Art Tafel zeigen wir jedem Friend
seinen bevorstehenden Tagesbalauf, zumindest was die kommenden Stunden
innerhalb der Gruppe betrifft.
Ganz dem Namen
entgegengesetzt ist meine Gruppe nicht nur mit der Pflege des Kfar-Gartens
zuständig. Während der Großteil der Friends mit der täglich anfallenden
Gartenarbeit beginnt, Laub harken, Pflanzen gießen, neue Bete anlegen, etc.,
bereiten Andere Kaffe und Wasser für alle vor. Autisten brauchen einen
geregelten Tagesablauf. So läuft nicht nur alles, untyüisch israelisch, nach
Zeit, vielmehr hat auch jeder seine eigene Aufgabe. So erledigen einige Friends
zusammen die Bewässerung der Pflanzen, andere das Harken des Laubes.
Eine Änderung
des täglichen Ablaufs ist nur mit früher Ankündigung zu bewältigen. Diese muss
oftmals sogar Tage im Voraus geschehen, doch mehr zu der Arbeit mit Autismus
später.
Zurück zur Gartengruppe, die dem warmen Wetter entsprechend kurze Zeit im Garten schließend wir mit einem gemeinsamen Miteinander, einer Tasse Kaffee oder auch Wasser ab.
Zurück zur Gartengruppe, die dem warmen Wetter entsprechend kurze Zeit im Garten schließend wir mit einem gemeinsamen Miteinander, einer Tasse Kaffee oder auch Wasser ab.
Im Anschluss
geht es zurück in unseren Raum, wo wir gemeinsam mit den Friends das 2.
Frühstück vorbereiten. Obstsalat und Trinabrote, von den Friends selbst
vorbereitet. Im Anschluss an diese kleine Mahlzeit steht für die Friends eine
längere Pause an in der Einigen im Raum bleiben, arbeiten oder ohne jegliches
Ziel durch die Gegend laufen.
Arbeit, das solltet ihr wissen… Es gibt viele verschiedene Formen von Autismus.
Während einige selbst bei den kleinen Dingen im Alltag wie Zähneputzen und
Ankleiden Hilfe benötigen sind andere ziemlich intelligent und können sogar
arbeiten gehen und sich von ihrem hart erarbeiteten Geld etwas kaufen. Es gibt
ein paar wenige, die außerhalb des Kfars für ein bekanntes Mobilfunkunternehmen
arbeiten, spezielle Gruppen in denen Friends quasi den halben Tag durcharbeiten
und auch in meiner Gruppe einen Einzelnen der Tag für Tag Schrauben und
Plastikteile zusammensteckt.
Im weiteren
Tagesverlauf steht Sport auf dem Programm. Wir gehen mit allen 6 Friends, für
30 Minuten täglich, in den Chäder Kosher (Sportraum). Je nachdem welcher
Wochentag ist gehen wir außerdem noch zu Zala, einer Verhaltens- und
Spieltherapeutin innerhalb des Kfars. Hier spielen wir verschiedene Spiele in
denen die Autisten lernen untereinander besser zu interagieren. Für viele
Autisten ist es schon schwer genug jemanden in die Augen zu schauen. So ist es
eine gute Übung für sie beispielsweise einen Ball untereinander zu zurollen und
sich einen guten Morgen zu wünschen, zu erzählen was man gerade gerne essen
würde oder eine Runde Bilderlotto zu spielen.
Des Weiteren
malen und basteln wir ab und zu, sowie wir mit den Friends auch Keramika
erstellen und bemalen. Zur finanziellen Unterstützung des Kfars werden solche
Arbeiten aus Keramik, gezeichnete Werke und ähnliches aufgearbeitet und
verkauft. So steht für uns als Gartengruppe, wie auch für die anderen arbeitenden
Gruppen, oft das Einpacken dieser Unikate an.
Einmal
wöchentlich fahren wir nach Tel Aviv rein, wo wir einerseits in einer Art
Gärtnerei arbeiten. Anderseits gibt es jedoch auch noch eine Plantage auf der
wir im Winter arbeiten werden. Hier werden wir Zitrusfrüchte ernten, besichtigt
haben wir sie auch schon vor kurzem. Wenn wir also außerhalb sind fällt unsere
Pause auf den Ende des Tages, wo wir in dem riesigen Hayarkon Park in Mitten
Tel Avivs spazieren gehen, dort typisch israelisch in einem Outdoor-Sportpark
Sport machen und gemeinsam Äpfel, Birnen und von der Plantage frisch gepflückte
Pomelo essen.
So sieht also
mein Mittwoch aus und auch sonntags haben wir eine sich wöchentlich
wiederholende Tätigkeit. Wir backen! So wie wir auch oft für Guides oder
Freiwillige die unsere Gruppe leider verlassen haben, oder auch für Geburtstage
der Friends Kuchen und Süßigkeiten backen, backen wir nun seit kurzen jeden
Sonntag. Zwar bevorzugen einige meiner Friends es alles was ihnen in die Quere
kommt zu essen, jedoch haben alle Spaß dran.
Außerdem
machen wir ab und zu Musik, feiern Geburtstage und vor allem auch donnerstags
Schabbat. Doch wieso am Donnerstag? Da die Gruppe nur innerhalb der Woche
stattfindet (im jüdischen Glauben beginnt die Woche schon sonntags, sowie nun
auch meine), ist Donnerstag unser letzte gemeinsame Tag der Woche und wir
feiern Schabbat quasi im Voraus. Es gibt Waffeln, Saft oder Wasser und einer
unserer begabten Friends singt uns Schabbat-Lieder vor.
14 Uhr, der
Arbeitstag neigt sich dem Ende zu. Ich verabschiede mich aus der Gruppe, in der
die Externi im Anschluss gemeinsam zu Mittag essen und gehe zurück ins Beit
Brosch wo ich das Mittagessen meiner anderen Friends vorbereite. Nach dem
Mittagessen beschäftige ich mich noch ein wenig mit ihnen, bis meine mich
ablösende Schicht kommt.
Nun, das ist
mein Arbeitsalltag. Die Arbeit mit Autisten macht sehr viel Spaß und ist, auch
wenn eigentlich alles schon Tage im Voraus geplant und angekündigt ist so
spannend wie wohl kaum eine Andere.
Ich will euch
also zum Schluss noch kurz von einem ganz besonderen Friend erzählen der mir
direkt ans Herz gewachsen ist. Yaniv (den Namen musste ich an dieser Stelle
leider abändern) ist 21 Jahre alt und Externi. Er ist Teil meiner Gartengruppe.
Schon morgens werde ich von einem "Boker tov, Nis. HaKol beseder!",
was soviel heißt wie: 'Guten Morgen, Denise. Es ist alles in Ordnung!',
empfangen. In der Gruppe gehe ich morgens mit ihm Blumen gießen, hole mit ihm
die Nahrungsmittel für das 2. Frühstück aus der Küche, motivier ihm beim Sport
alles zu geben und erledige mit ihm seine große Aufgabe des Tages. Das
Geschirrwaschen, denn dies macht er jeden Tag um sich das anschließende
Videoschauen am Pc zu erarbeiten. Das er jeden Tag zum Abschluss ein paar
Videos angucken darf weiß er genau und so darf ich mir schon von Beginn des
Tages "Nis, machef odmead" (Denise, später geht es an den PC),
"ani lo kosher" (ich will nicht zum Sport) oder "lestoff
calim!" (Geschirr spülen) anhören, wenn er mal wieder nur daran denken
kann, dass er zum Schluss des Tages endlich seine geliebte israelische
Kindersendung sehen darf.
Meistens hat
er jedoch richtig gute Laune und wir albern viel rum. "Echat, steim,
schalosh, arba weeeee chamesch!" (1,2,3,4 uuuund 5), wir klopfen uns
viermal auf die Beine und klatschen uns beim fünften Mal in die Hände. Das ist
unser gemeinsames Ritual und er liebt es! Achja, Yaniv trägt ein Hut. Jeden
Tag, vielleicht sogar Nachts. Man weiß es nicht!! Wenn er in der morgentlichen
Mifgasch Boker mal wieder einschläft klauen wir seinen Hut, worauf ein sanftes
"lo, bewakascha" (bitte nicht) ertönt.
Er ist schon
ein amüsanter Autist. Auch wenn er sich seine hart erarbeiteten Videos am PC
anschaut, macht er lustige Geräusche und lacht laut. Manchmal dreht er sich
ohne Grund zu uns um ruft einfach nur "Nis, Nis, Niiiiiiis!", was im
übrigens dank ihm mein neuer Spitzname hier ist. Sowie auch "Kol HaKavod
LeNis!" (toll gemacht, Denise!). Dafür muss er echt keinen Grund geben, er
sagt den ganzen Tag lang lustige Sachen und das macht ihn direkt zum Liebling
von allen!
Zwar spreche
ich natürlich noch nicht fließend hebräisch jedoch das für mich im
Arbeitsalltag immer mehr zur Nebensache geworden. Vor kurzem hat unser
Sprachkurz begonnen. Zwar hatten wir erst 2 Stunden, jedoch hoffen wir bald
noch viel mehr hebräisch sprechen zu können und problemlos mit unseren Friends
zu kommunizieren.
Manchmal ist
es nicht ganz so leicht Autisten zu verstehen, da diese nämlich kein
'richtiges' hebräisch sprechen. Oftmals ist die Grammatik extrem vereinfacht
oder es werden Wörter neu erfunden. Mein Glück jedoch, Autisten haben einen zum
Großteil einen begrenzten Wortschatz, fragen dich stündlich die selben Fragen
erneut und lassen dich so ziemlich schnell ihre Bedürfnisse sowie Ansätze der
Sprache verstehen und erlernen.
Da ich viele
der 'wahren Realität' geöffnete und kontaktfreudige Friends in meinem Haus,
sowie der Gruppe habe frage ich Begriffe auf Hebräisch einfach direkt bei ihnen
nach. Vor kurzem habe ich sogar entdeckt, dass zwei von meinen vielen Friends
ein ganz wenig Englisch verstehen und sprechen, was ich allerdings gar nicht
mit ihnen mache.
Ihr seht
schon, ich komme hier bestens klar und es gibt einfach viel zu viel spannendes
zu erzählen, als das ich hier von allem berichten könnte. Vielen Dank für eure Unterstützung!!
Liebe Grüße
aus dem heiligen Land, Denise